
Bis 12-01-2020

A.R. Penck in seinem Atelier, Gostritzer Straße 92, Dresden, zwischen 1977 und 1980, © Archiv Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung, Museen der Stadt Dresden, VG Bild-Kunst, Bonn 2019, Fotograf: Erhard Peschke, Repro: Franz Zadniček
Alles begann in Dresden. Mit einem Akt künstlerischer Selbstbehauptung: Ausgeschlossen von Akademie und offiziellem Kunstbetrieb in der DDR erklärte sich Ralf Winkler (1939—2017), der später als A.R. Penck weltbekannt werden sollte, eigenmächtig zum Künstler.
Er besetzte den „Untergrund“ und entwickelte ein ebenso produktives wie vielseitiges künstlerisches Werk als Maler und Zeichner, Bildhauer und Grafiker, Super-8-Filmer, Musiker und Autor. In seiner Lebens- und Kunstpraxis verband er analytisches und bildnerisches Denken. Ideen aus Philosophie, Naturwissenschaft, Informationstheorie und Technik fusionierte er mit alten und neuen Strategien des Bildermachens sowie einem Gespür für gesellschaftliche und künstlerische Problemlagen zu einer multimedialen Konzeption des „Visuellen Denkens“ – eines Denkens in Bildern.

A.R. Penck: Ohne Titel (Ende im Osten/Duisburg), 1979/80, Öl auf Nessel, 130 × 175 cm, MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Sammlung Ströher, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019, Foto: Kunstmuseum Bonn, Reni Hansen
Anhand ausgewählter Werke durchstreift die Ausstellung Pencks Dresdner Zeit bis zu seiner Ausreise 1980. Von der frühen Auseinandersetzung mit Rembrandt und Picasso über die von der deutschen Teilung motivierten Welt- und Systembilder, die universelle Zeichensprache seines Standart- Konzepts mit der typischen Strichfigur bis zum „Ende im Osten“. Pencks Entwicklung ist zudem nicht denkbar ohne den Austausch mit anderen Künstlern in selbstorganisierten Gruppen und Aktionen. In den 1950er Jahren bot ihm der Kreis junger Kunstinteressierter um Jürgen Böttcher erste Orientierung und Ermutigung. 1971 formierte sich die Künstlergruppe „Lücke“ mit gemeinschaftlicher Arbeits- und Ausstellungspraxis und 1978 gehörte Penck zu den Gründungsmitgliedern der Dresdner Obergrabenpresse.

A.R. Penck: Gostritzer 92, LP-Cover, Weltmelodie, 1979, Privatbesitz, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019
Im Fokus der Ausstellung stehen selten gezeigte Künstlerbücher, die wiederentdeckten Super-8-Filme und Pencks umtriebige Aktivitäten als Musiker. Die Super-8-Filme entstanden ab dem Ende der 1960er Jahre in Zusammenarbeit mit Wolfgang Opitz und sind die frühesten Zeugnisse des künstlerischen Schmalfilms in der DDR. Als leidenschaftlicher „Dilettant“ spielte Penck u.a. Klavier, Schlagzeug und Gitarre, trat in wechselnden Formationen mit Berufsmusikern und Künstlerkollegen auf. Sein „Archaik- Fri-Jazz“ forcierte die totale Improvisation zwischen Klangerzeugung und -zerstörung. Die erste von über 50 Platten – im Osten aufgenommen und im Westen gepresst – erschien 1979.
Als Penck 1980 die DDR verlassen musste, war er in der Bundesrepublik als Künstler längst be- und anerkannt, ohne jemals da gewesen zu sein. Viele seiner in Dresden entstandenen Werke hat im Osten damals kaum jemand gesehen, während sie im Westen seit dem Ende 1960er Jahre ausgestellt und gesammelt wurden. Als Vorreiter unangepasster künstlerischer Selbstbehauptung in der DDR beeinflusste er die nachfolgende Künstlergeneration in Dresden und darüber hinaus bis weit in die 1980er Jahre hinein. Premiere feiert in der Ausstellung auch der neue Dokumentarfilm vom Regisseur und Autor Thomas Claus, der mit Unterstützung der Staatlichen Kunstsammlungen gedreht wurde. Dank bislang unveröffentlichten Materials sowie aufschlussreichen Zeitzeugengesprächen erlaubt diese Dokumentation neue Perspektiven auf A.R. Pencks Leben und Wirken vor 1980.
Eine Ausstellung des Albertinum in Zusammenarbeit mit dem Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, und der Städtischen Galerie Dresden